Das EU-Parlament stimmt für faire Ersatzteil-Preise und das Verbot von Teilekopplung
Aktivismus

Das EU-Parlament stimmt für faire Ersatzteil-Preise und das Verbot von Teilekopplung

Drücken wir die Daumen, dass die Vorschläge Gesetz werden!

Gute Neuigkeiten: Das EU-Parlament hat in einer wegweisenden Abstimmung für die bislang ambitioniertesten Vorschläge zum Recht auf Reparatur gestimmt. Und zwar beinahe einstimmig.

Der neueste Entwurf der „Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren“ fordert transparente und faire Preise und ein Verbot von Software-Sperren, die Reparaturen verhindern – auch bekannt als Teilekopplung. Diese Forderungen sind eine deutliche Verschärfung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der EU-Kommission, der vorsah, dass Hersteller dazu verpflichtet werden, ihre Produkte auch nach Ablauf des Garantiezeitraums zu reparieren, Verbraucher:innen darüber aufzuklären, und sich an neuen länderspezifischen Online-Plattformen zu beteiligen.

Wenn das Gesetz so beschlossen wird, wie das EU-Parlament es für richtig hält, dann wäre es das stärkste Gesetz zum Recht auf Reparatur auf der Welt. Der Ministerrat hat bereits seinen Standpunkt formuliert und die Verhandlungen werden Anfang Dezember beginnen.

Ein riesiger Gewinn für die europäische Right-to-Repair-Bewegung

Rate mal, wie viel das Kontrollpanel für diese 984 €-teure Waschmaschine kostet? Wenn du jetzt auf 574 € getippt hast, hast du gewonnen! Im Bild: Thomas Opsomer von iFixit. Bereitgestellt von Right to Repair Europe.

Als die EU-Kommission im März den ersten Entwurf für dieses Gesetz einbrachte, waren Right-to-Repair-Aktivist:innen enttäuscht. Wie Cristina Ganapini von The Restart Project erklärte, wurden in dem Entwurf nicht die wirklich drängenden Fragen thematisiert – die Bezahlbarkeit von Reparatur und die Bekämpfung von Reparatur-Hindernissen. Dadurch, dass die Preise für Ersatzteile und das Problem der Teilekopplung außer Acht gelassen wurden, hätte der Entwurf Verbraucher:innen keinen wirklich fairen Zugang zu Reparatur verschaffen können, sagte Ganapini.

Also verdoppelten die Aktivist:innen ihre Bemühungen, um den Gesetzgebern die Schwachstellen im Kommissions-Entwurf aufzuzeigen. Sie reichten ausführliche Kommentare ein, wann immer sich die Gelegenheit bot. Sie veranstalteten eine Infoveranstaltung im Gameshow-Format (angelehnt an The Price Is Right/Der Preis ist heiß). Sie entwickelten eine einminütige Animation, in der die gegenwärtig größten Probleme für die Reparatur erklärt werden, darunter exorbitante Ersatzteil-Preise und die Teilekopplung.

Das EU-Parlament reagierte darauf mit dem aktuellen Gesetzesentwurf, der eine deutliche Verbesserung der Vorversion ist. Und der Zuspruch war überwältigend: 590 Stimmen für den Entwurf – bei nur 15 Gegenstimmen und 15 Enthaltungen.

Die neuen Regeln sollen für zehn Produktkategorien gelten, die derzeit von der Ökodesignverordnung reguliert werden: Smartphones und Tablets, Fahrräder (einschließlich E-Bikes), Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler, Kühlschränke, Displays, Schweißgeräte, Staubsauger und Server.

„Die heutige Abstimmung bringt uns einen Schritt näher an ein offenes Reparatur-Ökosystem heran“, sagte Thomas Opsomer, der iFixit in Brüssel vertritt. „Hersteller dürfen unabhängige Werkstätten und DIY-Reparateur:innen nicht mehr durch Teilekopplung oder andere Tricks daran hindern, die Ersatzteile ihrer Wahl zu verwenden, ob das nun gebrauchte Teile, Teile von Drittanbietern oder sogar mit 3D-Druckern hergestellte Teile sind. Das ist ein wichtiger Meilenstein – und das macht es umso trauriger, dass diese zentralen Vorgaben nur für eine Handvoll von Produkten gedacht sind, obwohl das Gesetz eigentlich eine umfassende Lösung sein sollte.“

Und jetzt wird verhandelt

Falls dir der Gesetzgebungsprozess in der EU nicht mehr ganz geläufig ist: Die EU hat drei gesetzgebende Institutionen, die Kommission (die neue Gesetze einbringt), das Parlament (direkt gewählt) und den Rat der Europäischen Union (auch Ministerrat genannt und nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat).

Nun, da der Gesetzesentwurf von der Kommission eingebracht wurde und das Parlament eine Verhandlungsposition bestimmt hat, ist als Nächstes der Ministerrat an der Reihe, seine Verhandlungsposition festzulegen. Dann kann der interinstitutionelle Verhandlungsprozess beginnen, auch als „Trilog“ bekannt, der aus einer Reihe von Diskussionen zwischen dem Parlament und dem Ministerrat besteht, in denen die Kommission als Vermittler fungiert. Das Ziel ist, sich auf einen gemeinsamen Text zu einigen, über den dann im Parlament und im Ministerrat abgestimmt wird. Wenn beide ihn verabschieden, wird der Text unterzeichnet und im Amtsblatt der EU veröffentlicht, und damit ist er dann ein Gesetz.

Each round of the trilogue process allows for several months of reaction time, so it will likely be at least a year before this draft has a chance to become law. Rest assured that advocates will continue to remind legislators of the importance of these repair protections throughout the process.

Reparatur auch nach Ablauf des Garantiezeitraums

Einer der spannendsten Aspekte dieser Maßnahmen ist, dass Hersteller verpflichtet werden sollen, Reparaturen auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungszeit anzubieten. Das zielt darauf ab, die Lebensspanne von Produkten zu verlängern, was sich positiv auf den Umweltschutz auswirken dürfte.

Außerdem wird vorgeschlagen, die gesetzliche Gewährleistung um ein Jahr zu verlängern, wenn ein Gerät repariert wurde. Reparatur-Aktivist:innen sind sich uneins in der Frage, wie sinnvoll verlängerte Gewährleistungszeiten wirklich wären, weil sie normalerweise nicht für versehentliche Beschädigungen gelten. Das Ziel gesetzlicher Gewährleistungszeiten ist es, den Herstellern einen Anreiz zu geben, ihre Produkte haltbarer zu machen. Aber das hat nicht immer funktioniert – in manchen Fällen machen Hersteller die zusätzlichen Kosten durch den längeren Garantiezeitraum damit wett, dass sie die Herstellungskosten reduzieren, worunter die Qualität der Produkte leidet. Ein weiteres Problem wird dadurch verursacht, dass Hersteller während des Gewährleistungszeitraums die Kontrolle über die Reparatur ihrer Geräte behalten (ein Problem, dass im Gesetzentwurf trotz der Bemühungen der Aktivist:innen weiterhin besteht): Längere Garantiezeiten können dann dazu führen, dass unabhängigen Reparaturwerkstätten das Geschäft eingeht und Verbraucher:innen weniger Wahlfreiheit haben, wo sie ihre Reparaturen durchführen lassen wollen.

Bezahlbare und leicht zugängliche Reparaturen

Die Position des EU-Parlaments zielt darauf ab, Reparaturen bezahlbar und leicht zugänglich zu machen. Unabhängige Reparatur- und Refurbishment-Werkstätten und auch die Verbraucher:innen selbst sollen wichtige Ersatzteile, Reparaturinformationen und Werkzeuge zu gemäßigten Preisen bekommen können. Außerdem sollen Online-Plattformen wie iFixit dabei eine Rolle spielen, um Verbraucher:innen den Kontakt zu lokalen Reparaturwerkstätten und Verkäufern wiederaufbereiteter Geräte zu vereinfachen.

Um Reparatur im Vergleich zum Neukauf noch attraktiver zu machen, schlägt das Parlament vor, Reparatur-Gutscheine auszugeben, was in Projekten in Wien und Thüringen schon gut funktioniert. Auch andere finanzielle Anreize durch länderspezifische Reparatur-Fonds sind geplant.

Der Referent René Repasi hielt nach der Abstimmung eine Pressekonferenz ab: „Dieses Parlament hat stets das Recht auf Reparatur für Verbraucher:innen unterstützt und wir können endlich sagen, dass wir direkt auf die Forderungen der Menschen reagieren. Menschen wollen die Lebensdauer ihrer Produkte verlängern, aber das ist oft zu teuer oder zu schwierig. Wir haben eine Serie von Maßnahmen aufgesetzt, die Reparatur attraktiver macht als den Neukauf, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Unterstützung unabhängiger Reparaturwerkstätten und der Schaffung finanzieller Anreize. Wir nehmen an, dass der Rat bald seine Position bestimmt, sodass wir die Verhandlungen beginnen können, diese Maßnahmen in ein Gesetz zu gießen und den Weg zu bereiten für eine wahrhafte europäische Kreislaufwirtschaft.“

Jean-Pierre Schweitzer, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Europäischen Umweltbüro, fügte hinzu: „Es ist höchste Zeit, dass die EU diesen Schritt in die richtige Richtung macht, um den Taktiken der Hersteller etwas entgegenzusetzen – diese zwingen Verbraucher:innen dazu, Sachen zu ersetzen, die nur geringfügig kaputt sind, und sind damit für eine stetige, systematische Ressourcenverschwendung verantwortlich. Dadurch, dass dieses Gesetz aber nur für eine Handvoll von Produkten gelten soll, wurde hier die Gelegenheit verpasst, die Nachhaltigkeit von Produkten, den Schutz von Verbraucher:innen und das Recht auf Reparatur in Europa wirklich zu revolutionieren.“

Die nächsten Schritte

Die Verhandlungen beginnen mit einem ersten Treffen, das für den 7. Dezember angesetzt ist. Diese Phase ist besonders wichtig dafür, wie das Gesetz letztlich aussehen wird, denn der Ministerrat ist erfahrungsgemäß konservativer als das Parlament, was das Recht auf Reparatur angeht.

Damit das Gesetz stark bleibt, müssen die Punkte zu bezahlbaren Ersatzteilen und dem Verbot der Teilekopplung die Verhandlungen unbedingt überstehen. Aktivist:innen auf der ganzen Welt werden die Entwicklungen genau im Auge behalten. Willst auch du helfen? Dann unterzeichne die Petition auf Repair.eu zur Unterstützung dieses Gesetzesentwurfs oder nimm Kontakt zu einer Right-to-Repair-Organisation in deiner Nähe auf. 

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.